Heute ist der 09. September 2022. Ich bin in Ungarn, habe einige Tage am Balaton verbracht und bin nun weiter Richtung Osten gereist bis circa 100 Km vor der rumänischen Grenze.
Aber ich will jetzt nicht im Reiseblog über Ungarn berichten. Ich mache heute auch eine Zeitreise zurück, um etwas mehr, als ein Jahr: Zum Abend des 19. Augusts 2021.
Ich hatte Lotte das Leben gerettet und mein eigenes auf das Spiel gesetzt mit dem Ringkampf mit dem 50 Kg schweren Hütehund Kuvasz, hier nochmal der Link zum Bericht.
Wie ging es damals weiter? Ich schreibe jetzt einen Reisebericht von Vorkomnissen, welche 1 Jahr vergangen sind. Ich werde tief in meinen grauen Zellen graben müssen, auch wenn es nur Flachwasser ist.
Also los: Ich erinnere mich, völlig erregt von dem Ringkampf im Wohnmobil zu sitzen und mit „Park4Night“ einen anderen Stellplatz zu suchen. Ganz in der Nähe fand ich einen ähnlichen Platz, wie diesen hier.
Ich fuhr los, Lotte lag verstört in ihrem Bettchen auf den Beifahrersitz. Die Fahrtdauerte nur wenige Minuten. Ich parkte auf der Wiese am Haus und stieg aus. Da kam schon ein Frau vom Haus und stellte sich in gebrochenem Englisch als „Marika“ vor. Ich erzählte ihr von dem Ringkampf und versuchte Lotte aus dem Wohnmobil zu locken – keine Chance, sie war immer noch ängstlich und verstört.
Ich ging hinein und trug sie nach draußen zu Marika. Auf einmal hatte ich Blut an der Hand. Marika sah es sofort und deutete darauf. Der verückte Kuvasz hatte ihr eine ca. 5 cm lange Fleischwunde in den hinteren Rücken gebissen. Ich bekam schon wieder Panik. Was konnte man jetzt tun, weit weg von einer größeren Stadt im Niemandland am Freitag Abend? Und morgen war ein estischer Feiertag.
Ich trug Lotte wieder hinein, setzte sie auf die Bank und suchte den Verbandkasten. Dann desinfizierte ich die Wunde und verband sie so gut es ging. Möglichst eng, dass die Wunde geschlossen war. Ich suchte im Schrank Lottes Anzug, den sie bei der letzten Verletzung tragen musste und zog ihn ihr an. Das war jetzt das vierte Mal, dass Lotte so verletzt worden war, dass es vom Veterinär behandelt werden musste.
Marika sagte, ihr Mann sei noch unterwegs. Er sei Hundezüchter und könne die Wunde provisorisch behandeln, sobald er zurück sei. Ich wartete bis circa 22:30 Uhr und ging dann zu Bett. Wie ich geschlafen habe, könnt ihr euch vorstellen. Fast gar nicht. Lotte lag bei mir im Bett, weil ich wenigstens ein bisschen Kontrolle haben wollte, dass sie sich die Wunde nicht aufbiss.
Am nächsten Morgen kam dann Joel, Marikas Mann herüber zum Wohnmobil. Er sagte in gutem Englisch, er sei Franzose und habe vor 10 Jahren hier in der Einsamkeit ein neues zu Hause gefunden.
Er brachte Desinfektionsmittel mit. Wir öffneten Lottes Verband und reinigten nochmal die Wunde. Joel war sehr hilfsbereit und erklärte, es sei heute am Feiertag sehr schwierig einen Tierarzt zu finden. Aber da er selbst Züchter sei, kenne er einen persönlich, welcher meine Prinzessin heute behandeln würde. Er habe schon einen Termin für 12:00 Uhr vereinbart bei der Tierarztpraxis.
Wenn ich Joel richtig verstanden habe, arbeitete der Vet für die Grenzpolizei und hatte bis kurz vor 12:00 Uhr Dienst.
Halb zwölf fuhren wir in Joels altem Auto los. Marita kam auch mit, ich saß mit Lotte auf der Rückbank. Wir fuhren bestimmt 20 Minuten auf unbefestigten Straßen und dann nochmal einige Zeit auf befestigten Straßen zu einem kleinen Ort. Kurz nach uns traf auch der Arzt ein, welcher zu meiner Überraschung eine Frau war. Lotte zitterte schon wieder als sie im Behandlungsraum feststellte, dass wir beim Tierarzt waren. Sie kann das riechen. Ich setzte sie auf den Behandlungstisch und die Ärztin schaute sich die Wunde an. Sie spritzte Lotte ein Betäubungsmittel und setzte ihr eine Sauerstoffmaske auf. Ich sollte neben ihr sitzen bleiben und eine Hand auf ihr liegen lassen, bis sie eingeschlafen war. Dabei sollte ich nicht mit ihr sprechen, damit sie sich nicht aus der Narkose kämpfte.
Nach wenigen Minuten sackte sie weg und mir das Herz in die Hose. Die Ärztin bat uns, für eine halbe Stunde draußen zu warten. Durch eine Glasscheibe konnte ich sehen, wie sie den kleinen Wolf zunähte.
Wir gingen etwas spazieren. Nach einer halben Stunde waren wir zurück und Lotte verarztet. Sie schlief noch. Ich kann mich nicht mehr erinnern, ob sie von allein wach wurde oder ein Mittel gespritzt bekam, aber sie war ganz schnell wach. Erst etwas grogy, dann wurde es besser. Ich bezahlte die Ärztin, trug Lotte hinaus und setzte sie auf den Boden. Dann passierte etwas, mit dem ich überhaupt nicht gerechnet hatte: Noch leicht benommen gab der Dackel Versengeld. Lotte lief panisch weg und ich hinterher. Ich rief ihren Namen, aber sie lief weiter. Es schien fast, als ob sie auch vor mir floh. Das war schon wieder so eine gefährliche Situation, da sie auf Straße lief und dann in einen Wald abbog. Nach einigen Minuten wurde sie langsamer und sie fing wieder an auf mich zu hören. Ich konnte sie hochnehmen und ging zurück zu Joel und Marika.
Aufgrund ihrer seltenen Hilfsbereitschaft wollte ich die beiden zu Essen einladen. Ich bat sie, ein Restaurant mit lokalen Gerichten auszuwählen. Wir fuhren zu einem McDonald und ich aß einen BigMac.
Das war natürlich ein Scherz. Ich kann mich nicht mehr an das Essen erinnern, aber schlecht war es bestimmt nicht. Sonst könnte ich mich erinnern.
Ich blieb noch einen Tag bei Joel und Marika. Die beiden leben in einem Landhaus weit weg von der Zivilisation. Wer Ruhe sucht, wird sie in jeder Hinsicht dort finden. Joel verlangt pro Nacht € 5,-. Trinkwasser gibt es in Flaschen. Den Tank kann man dort nicht voll machen, da das Wasser sehr langsam aus einem Brunnen kommt.